Drei Fragen an Michael Lauterjung…
An welchem Projekt arbeitest du gerade?
In den ersten Tagen der Pandemie habe ich zunächst künstlerisch gar nichts gemacht. Ich habe die neue Situation auf mich wirken lassen, habe den Rasen gemäht, mich in der Sonne gesuhlt, bin viel mit dem Hund spazieren gegangen und habe mein Atelier aufgeräumt. Jetzt nach den ersten Wochen des sozialen Stillstandes, fange ich langsam an mit neuen Bildträgern, Materialien und Strukturen zu experimentieren.
Wie beeinflusst die gegenwärtige Situation Dein künstlerisches Schaffen?
Inhaltliche Konsequenzen und Einflüsse hat die momentane Situation nicht auf meine Bilder. Weit mehr hat die momentane Entschleunigung Auswirkungen auf mein Arbeitsverhalten. Ich werde ruhiger und arbeite konzentrierter, nehme mir für jeden Arbeitsprozess mehr Zeit. Riskiere mehr, überdenke aber auch jeden Gestaltungsvorgang. Meine Malweise ist weit weniger zielorientiert. Ich experimentiere mit Bildideen, bei denen das Scheitern vorprogrammiert ist, die jedoch seit langem in mir schlummern.
Chancen in der Krise - kann die Pandemie aus Deiner Sicht auch positive Veränderungen bewirken?
Das Leben scheint still zu stehen und die Erde kann mal durchatmen. Hierin liegt auch die große Chance. Der Druck von außen fällt weg, wir sind auf uns selbst zurückgeworfen. Jeder von uns muss mit Einschränkungen zurechtkommen. Der Mensch kann durch die Situation lernen, dass es mit der Lebenseinstellung "schneller", "größer" und "besser" nicht weiter gehen kann. Ich hoffe auf jeden Fall für mich, dass ich aus dieser Situation ein wenig Gelassenheit mitnehme und das Wissen, dass sich mein Leben nicht durchplanen lässt.
Auf den ersten Blick reihen sich die Werke von Michael Lauterjung in die lange kunsthistorische Tradition der Stillleben ein. Schon seit der Antike werden Objekte wie Blumen, Früchte, Gläser oder Jagdutensilien in Arrangements dargestellt. In der Blütezeit des Stilllebens im 17. Jahrhundert richtete sich der Blick auf Opulenz: Obst, Meeresfrüchte und Schmuck kulminierten in einer Ode an die Sinne. Zutiefst dekorativ trugen die Werke aber auch eine Art verschlüsselter Botschaft in sich, denn sie waren eine Erinnerung daran, dass Schönheit vergänglich ist. Lauterjungs Stillleben-Objekte erscheinen als perfekte Abbildung der Realität. Doch gleitet der Blick über das Zentrum, wo sich der Gegenstand befindet, so ist das weitere Umfeld ohne Kontext und Raum. Die figurative Malerei schwebt in einem abstrakten Malraum und definiert den unverwechselbaren Eindruck von Lauterjungs Werken. Figuration und Abstraktion erzeugen einen Irritationsmoment, eine Spannung im Bildaufbau, der für eine zeitgemässe Interpretation des traditionsreichen Sujets des Stilllebens sorgt. Losgelöst von Zeit und Raum lässt Lauterjung das Stillleben so im 21. Jahrhundert ankommen.
- Anabel Roque Rodrìguez für THE VIEW (2017)