Drei Fragen an Heike Endemann…
An welchem Projekt arbeitest Du gerade?
Zum einen arbeite ich an zwei Aufträgen, die ich Anfang des Jahres erhalten habe. Zum anderen habe ich Ende März noch eine grosse Holzlieferung erhalten - damit begann eine “Experimentierphase". Am Schreibtisch sitze ich auch: Für Mai hatte ich eine grosse Bildhauerausstellung mit elf Teilnehmenden in Radolfzell organisiert, nun recherchiere ich und suche weitere geeignete Ausstellungsorte, denen ich diese Ausstellung anbieten kann, nachdem sie am See stattgefunden hat.
Wie beeinflusst die gegenwärtige Situation Dein künstlerisches Schaffen?
Da ich wie die meisten meiner Bildhauerkolleginnen und -kollegen überwiegend allein arbeite, haben sich mein Arbeitsalltag und die Abläufe wenig geändert. Aber Kunst und Kultur brauchen Austausch, Nähe, Rückmeldung von Betrachtenden, das ist telefonisch und über den Bildschirm schwierig. Ansonsten - Belastbarkeit, Durchhaltevermögen und Ideenreichtum zeichnen notgedrungen viele Kunstschaffende aus - und diese Eigenschaften kommen mir gerade sehr zu Gute.
Chancen in der Krise - kann die Pandemie aus Deiner Sicht auch positive Veränderungen bewirken?
Die Folgen dieser Krise werden in naher Zukunft für viele einschneidend sein und wir werden sicher verändert aus ihr hervorgehen. Optimistisch ist zu hoffen, dass die Pandemie bewusst macht, wie wichtig Solidarität ist und dass das, was eingeschränkt werden musste, z.B. Bildung, Reisefreiheit und Kultur, mehr geschätzt wird.
Wer Heike Endemanns Atelier besucht, trifft zuerst auf mächtige Kastanienbäume. Auf Balken darunter lagern Holzstämme – Eiche, Zeder, Mammutbaum. Und andere. Abwechslung ist Heike Endemann wichtig: unterschiedliche Texturen, Gerüche und Farben. «Mich reizt jedes Holz. Wichtig ist, dass der Baum nicht speziell für meine Skulpturen gefällt wurde, sondern aus anderen Gründen geschlagen werden musste (Sturmschaden, Bruchgefahr, Baumaßnahmen), und ich das Fortdauern seiner Existenz sichere» erklärt die Bildhauerin. Auf dem Weg über eine Wiese ins Atelier fallen Skulpturen in verschiedenen Fertigungsstadien auf: angeschnitten, abgeflämmt, mit Farbaufträgen versehen. Bäume sind hier Teil eines Prozesses der Verwandlung. Und der zentrale Faktor jeder Wandlung ist die Zeit. […] Heike Endemann hat der Zeit zwischen dem Sterben des Baumes und seinem Verfall eine weitere Frist abgerungen: seine Existenz als Skulptur. […] Heike Endemann trägt auf ihre mit der Motorsäge geschaffenen Skulpturen oft kräftige Druckerfarben auf – Gelb, Grün, Rot, Weiß. Der Farbauftrag ist nicht gleichmäßig, sondern durchlässig für Darunterliegendes, eher akzentuierend als einheitlich deckend. Die Farbe zieht – das entspricht auch der Konsistenz von Druckerfarbe – dem entrindeten Holz eine zweite, neue Haut über, eine Kunsthaut für ein Kunstholz bzw. für Holzkunst. Diese erste Farbinformation wird ergänzt und verstärkt durch das Bearbeiten mit Feuer – die Oberfläche wird teilweise geschwärzt. Eine zweite Haut, Ersatz nur, einerseits, und doch original, authentisch, als erste Haut des neu entstandenen Kunstobjekts.
- Auszüge aus dem Text «BaumZeit» von Albert Kümmel-Schnur im Katalog «Heike Endemann. Zeit bewahren. Skulpturen.», 2017